Grad der Behinderung bei ME/CFS
ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die zu erheblichen, oft dauerhaften Einschränkungen im Alltag führt. Für viele Betroffene stellt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) einen wichtigen Schritt dar – sowohl zur rechtlichen Anerkennung der gesundheitlichen Situation als auch zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen.
Als auf Sozialrecht spezialisierte Kanzlei unterstützen wir seit vielen Jahren Menschen mit chronischen und schwer objektivierbaren Erkrankungen dabei, einen realistischen und angemessenen GdB durchzusetzen. Die Besonderheiten von ME/CFS kennen wir aus zahlreichen Mandaten und berücksichtigen sie in jedem Abschnitt des Verfahrens.
Rechtliche Vorgaben
Die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) bewertet Behinderungen anhand von 17 Funktionsbereichen. In der VersMedV ist ME/CFS nicht als eigenständige Diagnose bzw. Behinderung enthalten, sie wirkt jedoch auf zahlreiche dieser Funktionssysteme gleichzeitig ein. Für eine korrekte GdB-Feststellung ist es daher entscheidend, die typischen Symptome von ME/CFS systematisch den entsprechenden Funktionsbereichen zuzuordnen und die Gesamtwirkung zu erfassen.
Im Folgenden zeigen wir exemplarisch, wie ME/CFS-Symptome in einzelnen Funktionsbereichen der VersMedV relevant werden können:
Nervensystem und Psyche
ME/CFS führt häufig zu erheblichen neurokognitiven Einschränkungen. Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, verlangsamte Informationsverarbeitung, Wortfindungsprobleme („Brain Fog“) sowie eine ausgeprägte geistige Erschöpfbarkeit wirken sich direkt auf diesen Funktionsbereich aus.
Herz-Kreislauf-System
Die autonome Dysregulation ist ein zentraler Bestandteil der Erkrankung. Orthostatische Intoleranz, POTS, Schwindel, Herzrasen und Kreislaufinstabilität sind typische Symptome, die in diesem Bereich bewertet werden.
Atmung
Viele Betroffene zeigen eine schnelle Atemerschöpfung bei minimaler Belastung oder dysregulative Atemmuster. Diese können als Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit im Funktionsbereich Atmung relevant sein.
Verdauungsorgane
Autonome Fehlsteuerungen wirken sich häufig auch auf die Verdauung aus. Chronisches Reizdarmsyndrom, Veränderungen der Darmmotilität und Nahrungsmittelunverträglichkeiten finden hier ihre Einordnung.
Haut
ME/CFS kann zu Störungen der Temperaturregulation, Kälte- oder Druckempfindlichkeit sowie autonom bedingten Hautveränderungen führen, die als Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt werden.
Blut, blutbildende Organe und Immunsystem
Zu den häufigen Symptomen gehören chronisches Krankheitsgefühl, Infektanfälligkeit oder immunologische Auffälligkeiten. Diese Aspekte wirken sich auf die Bewertung im Funktionsbereich des Immunsystems aus.
Bewegungsorgane
Schmerzen, muskuläre Schwäche, Schonhaltungen und sekundäre Überlastungen durch die insgesamt reduzierte körperliche Belastbarkeit können zu Einschränkungen an Wirbelsäule, Muskeln und Gelenken führen.
Insgesamt führt ME/CFS häufig zu einer deutlichen Einschränkung der sozialen Teilhabe. Reizüberempfindlichkeit, geringe Mobilität, PEM nach kurzen Gesprächen oder Aktivitäten und soziale Isolation fließen hier in die Bewertung ein.
ME/CFS wirkt multidimensional und betrifft zahlreiche Funktionsbereiche gleichzeitig. Die VersMedV verlangt jedoch eine systematische Einordnung jeder einzelnen Funktionsbeeinträchtigung – erst daraus wird der Gesamt-GdB gebildet.
Wie wir Sie unterstützen
Unsere Aufgabe besteht darin, Ihre medizinische Situation so aufzubereiten, dass sie in allen relevanten Funktionsbereichen der VersMedV abgebildet wird und das tatsächliche Ausmaß der Einschränkungen vollständig zur Geltung kommt.
Welche GdB-Werte sind bei ME/CFS realistisch?
Die Schwere der Erkrankung variiert stark. Aus unserer Erfahrung lassen sich folgende Orientierungen darstellen, wobei leichtere Verläufe eher selten sind:
Leichter Verlauf: GdB 30–40
Mittlerer Verlauf: GdB 50–60
Schwerer Verlauf: GdB 70–80 oder höher
Entscheidend ist nicht die Diagnose, sondern die tatsächliche Teilhabeeinschränkung im Alltag. Menschen mit ausgeprägter PEM, erheblichen kognitiven Problemen oder deutlicher Kreislaufinstabilität erreichen häufig einen GdB ab 50.
Viele Betroffene erleben im Feststellungsverfahren aber ähnliche – negative - Herausforderungen:
fehlende ME/CFS-Sachkenntnis bei Versorgungsämtern und Gutachtern
Fehlinterpretation tagesvariabler Beschwerden
unzureichende Berücksichtigung von PEM
isolierte Bewertung einzelner Symptome statt einer Gesamtschau
vorschnelle Zuordnung zu psychischen Ursachen
Diese Probleme kennen wir aus unserer täglichen Praxis – und wir setzen genau dort an, um Fehlbewertungen zu korrigieren.
Wir begleiten Sie im gesamten Verfahren – vom Antrag bis zur Klage. Dabei achten wir besonders darauf, alle Funktionsbeeinträchtigungen präzise darzustellen und die ME/CFS-typischen Besonderheiten zu erläutern. Wir ordnen Befunde gezielt den Funktionsbereichen der VersMedV zu, prüfen Bescheide und Gutachten kritisch und arbeiten heraus, warum ein höherer Gesamt-GdB gerechtfertigt ist.
ME/CFS wird im GdB-Verfahren häufig unterschätzt oder unvollständig erfasst. Durch unsere Spezialisierung im Sozialrecht und unsere umfangreiche Erfahrung mit ME/CFS-Betroffenen können wir die medizinischen Besonderheiten rechtlich präzise einordnen. Unser Ziel ist es, dass Ihre tatsächliche Einschränkung vollständig anerkannt wird – und Sie den GdB erhalten, der Ihrer Situation entspricht.
Für Ihre Fragen rund um den GdB stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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