Rechtsanwalt, Fachanwalt für Sozialrecht, Fachanwalt für Strafrecht Mathias Klose, Yorckstr. 22, 93049 Regensburg

Die “Krankengeld-Lücke”

Gesetzlich Krankenversicherte, beispielsweise Angestellte, Arbeiter oder Auszubildende, haben grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden (§ 44 Abs. 1 SGB V). Keinen Anspruch auf Krankengeld haben lediglich die in § 44 Abs. 2 SGB V genannten Personengruppen, z.B. Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende, “Hartz 4”), Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung, Studenten, Praktikanten und Familienversicherte nach § 10 SGB V.

 

Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen, also besonders bei “normalen” Erkrankungen ohne stationären Aufenthalt von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 S. 1 SGB V); der Arzt stellt in der Regel eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, um die Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Krankenkasse und/oder dem Arbeitgeber zu dokumentieren. Ohne ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit besteht also regelmäßig kein Anspruch auf Krankengeld.

 

Folgen einer Lücke bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit: Kein Krankengeld

Ist einem Arbeitnehmer beispielsweise bis zum 25. Juni krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt und erfolgt die nächste Feststellung erst am 29. Juni, so besteht für die Zeit vom 26. - 28. Juni, einer Lücke in der Festellung der Arbeitsunfähigkeit, kein Anspruch auf Zahlung von Krankengeld.

Auf den ersten Blick könnte man nun denken, dass eine Lücke zwar nicht angenehm ist, da der Krankengeldanspruch für die Tage der Lücke verloren geht und insoweit finanzielle Einbußen entstehen, aber auch kein allzu großes Problem, da die Zahlung des Krankengeld ja mit neuer ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ja wieder weitergeht. Dieser Gedanke ist aber nur in machen Konstellationen richtig, keineswegs in allen Konstellationen.

Richtig ist dieser Gedanke nur dann, wenn der versicherungsrechtliche Status des kranken Versicherten durch die und trotz der Lücke bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit unverändert bleibt. Denn wie eingangs geschildert, haben nicht alle gesetzlich krankenversicherten Personen Anspruch auf Krankengeld; die in § 44 Abs. 2 SGB V aufgezählten Versicherten, wie Familienversicherte oder Grundsicherungsempfänger, haben keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld gegen ihre Krankenkasse. Ändert sich also der Versicherungsstatus des kranken Versicherten während der Lücke bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, zählt er also nun zu den in § 44 Abs. 2 SGB V genannten Personen, kann die Lücke bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dazu führen, dass der Anspruch auf Krankengeld nicht nur für die Dauer der Lücke entfällt, sondern insgesamt.
Häufigster Praxisfall ist, dass das Beschäftigungsverhältnis des kranken Versicherten, das zunächst die Versicherungsmitliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld begründet hatte, vor Eintritt oder während der Lücke endet, etwa durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses, durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags oder durch Befristungsablauf, und der Versicherte dann Arbeitslosengeld II (“Hartz 4”) in Anspruch nehmen muss oder über seinen Ehepartner oder die Eltern die Familienversicherung (§ 10 SGB V) durchgeführt wird.
In diesen Fällen ist die lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung deswegen von überragender Bedeutung, da der Wechsel des krankenversicherungsrechtlichen Status zu einer der in § 44 Abs. 2 SGB V genannten Personengruppe für die Zahlung von Krankengeld nur dann relevant wird, wenn der Krankengeldanspruch - wegen der Lücke bei der Festellung - unterbrochen wird. Solange Anspruch auf Krankengeld besteht bleibt der Mitgliedschaftsstatus des Versicherten unverändert (§ 193 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Der Anspruch auf Krankengeld bleibt, wie oben ausgeführt, bestehen, solange die Anspruchsvoraussetzungen für Krankengeld gegeben sind, insbesondere auch die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit lückenlos ärztlich bescheinigt ist.

Aus diesem Grund gilt es immer, auf die lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt zu achten. Die Krankenkassen weisen auf diese Probleme und Risiken nicht immer bzw. auch nicht immer hinreichend deutlich hin.

 

Ausnahmen: Doch Anspruch auf Krankengeld

Tritt einmal eine Lücke bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ein, wird die Krankenversicherung die Krankengeldzahlung unter Berufung auf die Lücke verweigern. Jedoch ist nicht jede Zahlungsverweigerung gerechtfertigt, da nicht jede Lücke zum Verlust des Krankengeldanspruchs führt. Es gibt verschiedene Ausnahmen.

Eine Ausnahme für “Lückenfälle” sieht das Gesetz in § 46 S. 2 SGB V für Sonntage und Feiertage vor: Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.

Eine weitere Ausnahme sieht der durch das Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG) mit Wirkung zum 11.05.2019 neu gefasste § 46 S. 3 SGB V vor: Versicherte, deren Mitgliedschaft nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 SGB V vom Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist, bleibt der Anspruch auf Krankengeld auch dann bestehen, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nicht am nächsten Werktag im Sinne von Satz 2, aber spätestens innerhalb eines Monats nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird.

Die in der Praxis wichtigste Ausnahme ist die irrtümliche Nichtbescheinigung der Arbeitsunfähigkeit durch den Arzt, die irrtümliche Nichtausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Unter folgenden Voraussetzungen kann nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung in “ärztlichen Irrtumsfällen” auch nachträglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erstellt werden und die zwischenzeitlich eingetretene Lücke wieder schließen:
Der Versicherte hat alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan , um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt ist; er an der Wahrung der Krankengeldansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde, v.a. eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung und er – zusätzlich – seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.

Daneben kann eine Lücke dann bedeutungslos sein, wenn der Versicherte wegen Handlungsunfähigkeit oder Geschäftsunfähigkeit nicht in der Lage war, die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig, also lückenlos, ärztlich feststellen zu lassen oder Organisationsmängel bzw. Falschberatungen der Krankenkasse zur nicht rechtzeitigen Festellung geführt haben.

 

Rechtsschutz: Widerspruch, Klage und Eilrechtsschutz

Aufgrund der enormen Bedeutung der durchgehenden Zahlung von Krankengeld sollten Zahlungseinstellungen - gleich mit welcher Begründung der Krankenkasse - nicht ungeprüft akzeptiert werden. Einstellungen der Krankengeldzahlung durch die Krankenkasse stellen Verwaltungsakte dar. Gegen diese kann - und sollte in vielen Fällen - Widerspruch und ggf. Klage zum Sozialgericht erhoben werden, da die Rechtsansichten der Krankenkassen oftmals falsch sind.

Nachdem Widerspruchs- und Klageverfahren vor den Sozialgerichten häufig sehr lange dauern, kann es zu wirtschaftlich bedrohlichen Situationen für Betroffene kommen. Mangels Auszahlung von Krankengeld bleibt nur ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB III (Arbeitslosengeld), den die Arbeitsagenturen gerne an der fehlenden Arbeitsfähigkeit und damit der mangelnden Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt scheitern lassen, oder ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld 2 - Hartz IV), der zumeist deutlich niedriger ist als der Anspruch auf Krankengeld und zudem vom Partnereinkommen abhängt. Um dies zu vermeiden, kann bei dem zuständigen Sozialgericht ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG) gegen die Krankenkasse gestellt werden, der zum Ziel hat, die Krankenkasse zumindest vorläufig zur Weiterzahlung des Krankengelds zu zwingen. Eine Entscheidung über einen Eilantrag nach § 86b SGG erfolgt in der Regel innerhalb weniger Tage oder Wochen, also deutlich schneller als eine Entscheidung über den Widerspruch oder die eigentliche Klage erfolgt.

Für Ihre Fragen zum Krankengeld stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht gerne zur Verfügung.

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