
Betriebsprüfung muss nicht teuer werden - Nachforderung um rund 94% reduziert
Im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV hatte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) gegenüber einem unserer Mandanten, einem Winzer, eine beträchtliche Nachforderung in Höhe von 22.600,93 Euro erhoben. Im Mittelpunkt stand die sozialversicherungsrechtliche Einordnung von insgesamt 14 Saisonkräften, die der Mandant in den Jahren 2017 bis 2020 als Erntehelfer beschäftigt hatte.
Die DRV unterstellte pauschal, dass es sich bei diesen Beschäftigungen nicht – wie vom Mandanten angenommen – um kurzfristige, versicherungsfreie Tätigkeiten im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV gehandelt habe. Zentraler Vorwurf: Der Nachweis, dass die Tätigkeiten nicht berufsmäßig ausgeübt worden seien, sei nicht gelungen.
Das Pikante daran: Die DRV versuchte, dem Arbeitgeber die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass keine Berufsmäßigkeit vorlag – eine rechtsdogmatisch kaum haltbare Position, wie wir im Rahmen der Klagebegründung deutlich machten.
Berufsmäßigkeit ist keine Frage des Bauchgefühls. Die DRV hatte ihre Argumentation unter anderem darauf gestützt, dass einige der Saisonkräfte ihr Heimatland verlassen hätten, um in Deutschland zu arbeiten. Für die Behörde offenbar ein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass die Tätigkeit existenzsichernd – also berufsmäßig – gewesen sei. Eine verallgemeinernde und gefährliche Unterstellung, denn weder Herkunft noch Reisebereitschaft ersetzen die notwendige Gesamtwürdigung der individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschäftigten.
Gerade diese differenzierende Einzelfallprüfung ist aber Grundvoraussetzung dafür, eine Tätigkeit als berufsmäßig einzustufen. Wer Hausmann oder Hausfrau ist – wie die hier betroffenen Arbeitskräfte angegeben hatten – fällt nach herrschender Meinung gerade nicht in den Bereich berufsmäßiger Tätigkeit. Dasselbe ergibt sich im Übrigen aus der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Im Ergebnis hat die DRV auf unsere Klagebegründung hin reagiert – und die ursprüngliche Forderung deutlich reduziert, konkret um 1.384,51 Euro durch Bescheid vom 07.05.2025. Damit hat die Behörde unsere rechtliche Einschätzung zumindest teilweise anerkannt - in einem Umfang von etwa 95%! Die Reduktion bezieht sich auf einen Teil der geprüften Beschäftigungsverhältnisse, bei denen die DRV nunmehr selbst keine Berufsmäßigkeit mehr unterstellt.
Die Klage ist damit noch nicht ganz erledigt, aber ein erster wichtiger Etappensieg ist erreicht. Entscheidend ist: Auch Behörden müssen sich an die Regeln der Beweislastverteilung halten. Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer kurzfristig Beschäftigten in detektivischer Tiefe auszuleuchten – schon gar nicht dann, wenn sie sich auf standardisierte Fragebögen stützen, wie sie von der Minijobzentrale selbst empfohlen werden.
Der Fall zeigt exemplarisch, dass Betriebsprüfungen der DRV mitunter rechtlich fragwürdige Bewertungen vornehmen – und dass es sich lohnen kann, gerichtlich dagegen vorzugehen. Die bloße Annahme, jemand habe aus dem Ausland kommend hier gearbeitet, reicht eben nicht aus, um Berufsmäßigkeit zu unterstellen. Und: Wer als Arbeitgeber mit den richtigen Mitteln dokumentiert, muss sich nicht alles gefallen lassen.
Wir bleiben für unseren Mandanten dran – und berichten über den weiteren Verlauf des Verfahrens vor dem Sozialgericht Nürnberg (Aktenzeichen S 5 BA 67/23).