Krankengeld
Krankengeld ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, deren Einzelheiten in §§ 44 ff. SGB V geregelt sind.
Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs
Krankengeld erhält in der Regel, wer durch Krankheit arbeitsunfähig ist oder stationär in einem Krankenhaus, in einer Vorsorge- oder Reha-Einrichtung behandelt wird (§ 44 I SGB V). Keinen Anspruch auf Krankengeld haben in der Regel u.a. Personen, die in einer Einrichtung der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen, Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Abklärung der beruflichen Eignung bzw. Arbeitserprobung, Studenten und Familienversicherte, also insbesondere der Ehepartner und Kinder des Versicherten. Ein Krankengeldanspruch kann weiter bei einer Erkrankung des unter zwölf Jahre alten oder behinderten Kindes bestehen, wenn ärztlich attestiert ist, dass die Betreuung, Beaufsichtigung oder Pflege des Kindes notwendig ist und die Betreuung, Beaufsichtigung oder Pflege nicht durch eine andere im Haushalt lebende Person geleistet werden kann und der Versicherte daher der Arbeit fernbleibt. Die Arbeitsunfähigkeit muss der Krankenversicherung gemeldet werden.
Beginn und Ruhen des Krankengeldanspruchs
Der Anspruch gegen die Krankenkasse auf Zahlung von Krankengeld beginnt seit dem 23.07.2015 am Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (bis 22.07.2015: ab dem auf die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag) bzw. bei Beginn der Krankenhausbehandlung oder der Behandlung in der Vorsorge- oder Reha-Einrichtung.
Der Anspruch ruht allerdings - praktisch sehr bedeutsam - soweit und solange der Krankenversicherte sozialversicherungsbeitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhält, also gewöhnlich während des Entgeltfortzahlungszeitraums von sechs Wochen. Dann wird das Krankengeld erst ab dem Tag gezahlt, an dem der arbeitsunfähige Arbeitnehmer keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber mehr erhält. Auch ruht der Krankengeldanspruch beispielsweise während des Bezugs von Elterngeld, Kurzarbeitergeld, Unterhaltsgeld, Mutterschaftsgeld, während des Bezugs von Arbeitslosengeld und während dieser Anspruch wegen einer Sperrzeit nach dem SGB III ruht und solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenversicherung nicht gemeldet wird.
Dauer des Krankengeldanspruchs
Die Dauer des Krankengeldbezugs ist grundsätzlich unbefristet. Wird Krankengeld aber - praktisch bedeutend - wegen derselben Krankheit bezogen, ist die Krankengeldzahlung auf 78 Wochen (= 546 Tage) in drei Jahren befristet. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit neben die schon bestehende Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert, es bleibt bei der Höchstdauer von 78 Wochen in der dreijährigen Blockfrist. Die Blockfrist beginnt mit dem erstmaligen Auftreten der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit. Eine neue Krankheit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit setzt hingegen eine neue Blockfrist in Gang.
Der Anspruch auf Krankengeld endet bzw. wird gekürzt, wenn etwa während der Arbeitsunfähigkeit der Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung oder wegen Alters beginnt.
Höhe des Krankengelds
Die Höhe des Krankengeldes beträgt 70% des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, also des Bruttoeinkommens (§ 47 SGB V). Es darf jedoch 90% des Nettoeinkommens nicht übersteigen. Bemessungszeitraum für das maßgebliche Arbeitsentgelt ist in der Regel das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt. Ist das Entgelt - wie häufig - nach Monaten bemessen, ist das im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielte Arbeitsentgelt maßgeblich. Wird beispielsweise ein Versicherter, dessen Lohn monatlich abgerechnet und am Monatsende ausbezahlt wird, im Laufe des Monats Februar arbeitsunfähig, ist das im Januar erzielte und ausbezahlte Arbeitsentgelt als Regelentgelt für die Berechnung der Höhe des Krankengelds heranzuziehen.
Probleme können sich ergeben, wenn vor oder während des Bezugs von Krankengeld und mithin nach dem letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat Änderungen in der tatsächlichen oder zu erwartenden Entgelthöhe eintreten, z.B. infolge einer Arbeitsvertragsänderung oder dem Antritt einer neuen Arbeitsstelle.
Praxishinweis 1: Einstellung der Zahlung infolge Gesundschreibung
Wenn Sie bereits Krankengeld beziehen, werden Sie gewöhnlich nach einer gewissen Dauer von Ihrer Krankenversicherung - aus Ihrer Sicht unerfreuliche Post - erhalten. Man wird Ihnen darin mitteilen, dass Ihre Angelegenheit neu überprüft wurde und auch durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) geprüft wurde. Aufgrund dieser Prüfung, die in aller Regel nur nach Aktenlage erfolgt, kommt man nun zu dem Ergebnis, dass bei Ihnen Arbeitsunfähigkeit ab einem bestimmten Datum nicht mehr vorliege und man daher zu dem genannten Termin die Krankengeldzahlung einstelle - die Krankenkasse “schreibt Sie gesund”.
Sollten Sie - wie häufig - anderer Auffassung sein, was Ihre Arbeitsunfähig und “Gesundschreibung” anbelangt, haben Sie die Möglichkeit gegen diesen Bescheid Ihrer Krankenversicherung Widerspruch einzulegen und, sollte dem Widerspruch nicht abgeholfen werden, vor dem Sozialgericht zu klagen. Die Ansicht der Krankenversicherung muss keinesfalls tatenlos hingenommen werden.
Praxishinweis 2: Aussteuerung
Wenn der Zeitraum der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber und der Krankengeldzahlung durch die Krankenkasse vollständig ausgeschöpft wurde, also gewöhnlich nach 78 Wochen, werden Sie “ausgesteuert”. Sie erhalten keine Lohnfortzahlung mehr und kein Krankengeld. In der Regel stellt sich dann die Frage, von wem Leistungen bezogen werden können. Hat der Arbeitgeber nach Aussteuerung keine Beschäftigungsmöglichkeit unter Berücksichtigung der Erkrankung und der restlichen Leistungsfähigkeit, sollte stets - also auch wenn der Arbeitgeber keine Kündigung ausgesprochen hat, sondern das Arbeitsverhältnis ungekündigt und ohne Lohnzahlung fortbesteht - bei der Agentur für Arbeit ein Antrag auf Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der verbleibenden Leistungsfähigkeit und ggfs. der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber gestellt werden. Andernfalls verbleibt nur der Antrag auf - die in der Regel geringeren - Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (Hartz IV) bzw. Sozialhilfe nach dem SGB XII.
Praxishinweis 3: Nahtlosigkeitsregelung
Wird gegen Ende des Krankengeldzeitraums ein Rentenantrag (Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI) gestellt, so müssen bis zur Entscheidung über den Rentenantrag in der Regel finanzielle Mittel fließen. Es kann sich daher empfehlen, trotz Krankheit, einen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist (sog. Nahtlosigkeitsregelung, § 145 Abs. 1 SGB III n.F. = § 125 Abs. 1 SGB III a.F.). Die Nahtlosigkeitsregelung soll verhindern, dass ein (ausgesteuerter) Arbeitsloser wegen einer mehr als sechsmonatigen Leistungsminderung weder Arbeitslosengeld noch Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhält. Die Anwendung von § 145 SGB III n.F. (bzw. § 125 SGB III a.F.) kommt auch bei Suchterkrankungen in Betracht, bei angeborenen Leiden oder bei einer stufenweisen Wiedereingliederung nach § 74 SGB V und § 28 SGB IX.
Praxishinweis 4: Lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
Um den Krankengeldanspruch durchgehend ausschöpfen zu können, ist die lückenlose ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erforderlich. Von höchster Bedeutung ist die lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit insbesondere für Versicherte, deren Arbeitsverhältnis während der Dauer des Krankengeldbezugs endet. Denn nur bei lückenloser Arbeitsunfähigkeitsfeststellung bleibt der Versicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld bestehen; andernfalls kann kraft Gesetzes ein anderer Versicherungstatbestand ohne Anspruch auf Krankengeld eintreten, etwa die Familienversicherung oder die Auffangversicherung. Dieser finanzielle Nachteil sollte durch rechtzeitige und ununterbrochen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vermieden werden. Die weitere Arbeitsunfähigkeit muss zwar nicht mehr - wie nach alter Rechtslage - am letzten Tag der bisherigen Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden, jedoch muss die ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgen; eine spätere Feststellung der Arbeitsunfähigkeit reicht, abgesehen von wenigen Ausnahmesituationen, nicht.
Krankenkassen berufen sich in diesem Zusammenhang oft darauf, dass keine lückenlose AU-Feststellung vorliegt, wenn der Arzt Arbeitsunfähigkeit “bis auf Weiteres” feststellt, und unterbrechen bzw. beenden die Krankengeldauszahlung unter Behauptung, dass eine nicht den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien - AU-RiLi) entsprechende Arbeitsunfähigkeitsfeststellung vorliege. Diese Argumentation ist jedoch nicht haltbar. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit “bis auf Weiteres” ist zum einen auch nach den AU-RiLi möglich. Zum anderen werden Abeitsunfähigkeitsbescheinigungen “bis auf Weiteres” oder die Feststellung, “dass AU weiterhin bestehe und der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar sei” auch von der Rechtsprechung akzeptiert und als ausreichend erachtet.
Mehr zur Lücke hier.
Praxishinweis 5: Krankengeld vor Arbeitslosengeld
Der Bezug von Krankengeld hat gegenüber dem Bezug von Arbeitslosengeld oder Grundsicherungsleistungen deutliche Vorteile, die es auszunutzen gilt: Krankengeld ist höher als Arbeitslosengeld, der Bezug von Krankengeld mindert nicht die ggf. anschließende Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und durch den Bezug von Krankengeld können Ansprüche auf Zahlung von Arbeitslosengeld entstehen oder sich verlängern.
Praxishinweis 6: Aufforderung nach § 51 SGB V durch die Krankenkasse
Vordergründig um die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu sichern, tatsächlich aber genutzt um den Krankengeldbezug zu beenden, kann die Krankenkasse nach § 51 SGB V vorgehen: Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, kann die Krankenkasse eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen haben (§ 51 Abs. 1 S. 1 SGB V). Stellen Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist (§ 51 Abs. 3 S. 1 SGB V).
Die Krankenversicherungen halten in der Praxis die Anwendungsvoraussetzung des § 51 SGB V für sehr gering und gehen sehr häufig über § 51 SGB V vor. Tatsächlich sind nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung die Anforderungen an eine wirksame Aufforderung zur Antragstellung auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 51 SGB V durch die Kasse sehr streng.
Insbesondere die Anforderungen an das erforderliche ärztliche Gutachten. Dabei muss es sich um mehr als ein Attest oder eine ärztliche Bescheinigung handeln, vielmehr ist notwendig, dass die erhobenen Befunde - zumindest summarisch - wiedergegeben werden und sich der Arzt - soweit es sich um ein sozialmedizinisches Gutachten handelt - zu den nach seiner Auffassung durch die festgestellten Gesundheitsstörungen bedingten Leistungseinschränkungen und ihrer voraussichtlichen Dauer äußert. Der Gutachter darf sich nicht darauf beschränken, nur das Ergebnis seiner Überlegungen mitzuteilen. Das Gutachten muss aus sich heraus verständlich und für diejenigen, die Verwaltungsentscheidungen möglicherweise überprüfen, nachvollziehbar sein. Nur dann kann das Gutachten als Grundlage für die Verwaltungsentscheidung der Krankenkasse dienen, ob dem Erkrankten wegen erheblicher Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Frist zur Beantragung von Rehabilitationsmaßnahmen gesetzt werden kann. Erfüllt das Gutachten diese hohen Voraussetzungen nicht, ist eine gleichwohl erklärte Aufforderung nach § 51 SGB V rechtswidrig.
Darüber hinaus muss die Krankenkasse, im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 51 SGB V das ihr zustehende Ermessen ausüben. D.h. die Kasse muss alle Umstände des Einzelfalles sorgfältig abzuwägen und gerade auch die Interessen des Versicherten zu beachten. Auch dies geschieht üblicherweise nicht oder nicht ausreichend, was die Aufforderung zur Antragstellung auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ebenfalls rechtswidrig macht.
In der Aufforderung muss der Versicherte belehrt werden, welche Konsequenzen für ihn mit einer daraufhin erfolgenden Beantragung von Leistungen zur Rehabilitation verbunden sind. Dazu ist mit Rücksicht auf die Beratungspflichten eines Sozialleistungsträgers insbesondere eine Information und Belehrung über die sich als Rechtsfolge ergebende mögliche Einstellung des Krankengeldes nach Ablauf des Zehn-Wochen-Zeitraums erforderlich. Fehlt es daran, ist die Aufforderung auch aus diesem Grunde rechtswidrig.
Bei der Aufforderung nach § 51 SGB V handelt es sich um einen Verwaltungsakt, gegen den mittels Widerspruch und ggf. Klage zum Sozialgericht vorgegangen werden kann - und oftmals auch sollte.
Stellt der Versicherte den Antrag und scheitert die Rehabilitationsmaßnahme, so gilt der Reha-Antrag nach § 118 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag. Der Antrag kann wirksam nur mit Zustimmung der Krankenkasse zurück genommen oder beschränkt werden; auch über diese Einschränkung der Dispositionsbefugnis muss der Versicherte durch die Krankenkasse belehrt werden.
Rechtsschutz
Probleme entstehen aber nicht nur bezüglich der im Praxishinweis geschilderten möglicherweise unterschiedlichen Ansichten von Krankenversicherung und Versichertem bezüglich der Arbeitsunfähigkeit. Probleme können vielmehr beispielsweise auch bezüglich der Höhe des Krankengelds auftreten oder bezüglich der Dauer des Krankengeldanspruch. In letzterem Fall unterstellen Krankenkassen oftmals das Vorliegen eines Ruhenstatbestands, so dass sie die Bezahlung verweigern, z.B. Urlaubsabgeltung oder Überstundenausbezahlung. In diesen Fällen ist jedoch stets eine genaue Einzelfallprüfung veranlasst, da viele Zahlungen des Arbeitgebers - entgegen der Rechtsansicht der Krankenkasse - gerade nicht ein Ruhen des Krankengeldanspruchs mit sich bringen.
Gegen negative Bescheide der Krankenkassen ist stets der Widerspruch möglich. Wird auch im Widerspruchsverfahren dem Begehren des Versicherten nicht oder nicht vollständig Rechnung getragen und ergeht ein negativer Widerspruchsbescheid, kann Klage zum Sozialgericht erhoben werden. In besonders eiligen Situationen kann zudem beim zuständigen Sozialgericht der Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung von Krankengeld gestellt werden.
Bitte beachten Sie auch meinen im Oktober 2022 erschienen Ratgeber DER KRANKENGELD RATGEBER.
Für Ihre Fragen stehe ich Ihnen als Fachanwalt für Sozialrecht gerne zur Verfügung.