Rechtsanwalt, Fachanwalt für Sozialrecht, Fachanwalt für Strafrecht Mathias Klose, Yorckstr. 22, 93049 Regensburg

Erwerbsminderungsrente bei psychischen Erkrankungen


Psychische Erkrankungen sind statistisch seit vielen Jahren die häufigste Ursache für Erwerbsminderungsrenten. Auch aus anwaltlicher Sicht ist festzustellen, dass der Weg in die Erwerbsminderungsrente oft nur über psychische Erkrankungen führt.
Leider ist es aber oft so, dass der Weg in die Rente zwar über eine psychische Erkrankung führt, dieser Weg aber nicht einfach ist, sondern langwierig, anstrengend und nervenaufreibend sein kann.


Zur Beantragung einer Erwerbsminderungsrente führen aus unserer anwaltlichen Erfahrung besonders häufig die folgenden psychischen Erkrankungen:

  • Bipolare Störungen
  • Angststörungen
  • Anpassungsstörungen
  • Burn-Out-Syndrom
  • Chronic-Fatigue-Syndrom (CFS)
  • Depressionen
  • Persönlichkeitsstörungen
  • Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
  • Schizophrenie
  • Wahnhafte Störungen


Das Hauptproblem dafür, dass der Weg in die Rente mit einer psychischen Erkrankung nicht leicht ist, liegt darin, dass psychische Krankheiten nicht objektiv messbar sind. Eine Einschränkung der Herzleistung etwa kann mittels EKG oder anderen kardiologischen Untersuchungsmethoden objektiv und zweifelsfrei gemessen und belegt werden. Dasselbe gilt für viele internistische oder orthopädische Erkrankungen.
Nicht aber psychische Erkrankungen. Hier gibt es oft keine messbaren objektiven Werte oder Parameter, sondern „nur“ die Angaben und Beschwerdeschilderungen des Patienten. Auf diesen bauen üblicherweise dann auch Arztbriefe, Befunde und Atteste auf. Im Rahmen des Behandlungsvorgangs ist dies ja auch völlig unproblematisch, da der behandelnde Arzt oder Psychotherapeut die Beschwerdeschilderungen und geklagten Symptome nicht anzweifelt. Zweifel an den Schilderungen des Patienten äußert immer erst die Rentenversicherung, wenn es im Rentenverfahren darum geht, das Vorliegen einer gesundheitlich bedingten Erwerbsminderung zu überprüfen.

Nur zu gerne argumentieren die Rentenversicherungsträger, dass das Vorliegen von Erwerbsminderung nicht nachgewiesen sei bzw. – darüber hinaus sogar – dass von vollschichtiger Erwerbsfähigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Vor allem im Antragsverfahren und auch noch im Widerspruchsverfahren beziehen sich die Rentenversicherungen dann gerne Beratungsärzte oder hauseigene Gutachter, die den Gesundheitszustand des Rentenantragstellers geprüft hätten. Egal  wie es zu den Gutachten kam, also nach Aktenlage oder nach persönlicher Untersuchung. Gerade im psychiatrischen Bereich sind diese Gutachten oft im Ergebnis unrichtig und werden im weiteren Verfahrensverlauf, insbesondere vor den Sozialgerichten, wieder kassiert oder korrigiert.
Denn auch wenn die Feststellung der Auswirkungen von psychischen Erkrankungen auf die Erwerbsfähigkeit nicht leicht ist, ist sie doch nicht rein subjektiv möglich (was Gutachter immer wieder meinen). Sie ist, soweit möglich, objektivierbar und nachvollziehbar zu gestalten. Drauf kann und muss im Verfahren hingewirkt werden. Die Begutachtung der Erwerbsfähigkeit im Rentenrecht muss sich soweit es nur möglich ist von subjektiven Werturteilen und Meinungen entfernen. Die Begutachtung darf nicht willkürlich sein, sondern muss den Vorgaben folgen, die die sozialgerichtliche Rechtsprechung und die ärztlichen Begutachtungsleitlinien insoweit aufstellen. Nur so kann das Rentenverfahren, das Widerspruchsverfahren oder der Sozialgerichtsprozess dem Rentenantragsteller überhaupt gerecht werden.

Ausgangspunkt der Leistungsbeurteilung sind die vom Rentenantragsteller geschilderten Symptome und Beschwerden.


Diese sind dann in einem ersten Schritt, da sie nicht im eigentlichen Sinne messbar oder feststellbar sind, abzugleichen mit Umständen, die üblicherweise vorliegen, wenn jemand in dem geschilderten Umfang erkrankt und beeinträchtigt ist. Insbesondere ist zu prüfen:

  • Werden die Beschwerden nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei geschildert?
  • Gibt es Ergebnisse psychiatrischer/psychologischer (Zusatz-) Testverfahren und stimmen diese mit den geschilderten Beschwerden überein?
  • Gibt es Hinweise auf Simulation oder Aggravation?
  • Wie sind die Arbeitsunfähigkeitszeiten und auf welchen Diagnosen beruhen diese?
  • Findet eine fachärztliche psychiatrische ambulante Behandlung statt?
  • Fand eine stationäre Behandlung statt?
  • Wird eine Therapie mit Psychopharmaka durchgeführt und ist diese leitliniengerecht (d.h. Präparat, Dosierung,…)?
  • Wurde bzw. wird eine Psychotherapie durchgeführt?
    Wurden ambulante oder stationäre Reha-Maßnahmen absolviert?
  • Sind die Fähigkeiten beeinträchtigt, die typischerweise bei der gestellten Diagnose beeinträchtigt sind (bei Depressionen z.B. der Antrieb, die Konzentration oder die emotionale Schwingungsfähigkeit)?
  • Fallen einschneidende biografische Ereignisse mit dem Beginn der Krankheit zusammen?


Auf diese Art und Weise kann zumindest der ernsthafte Versuch unternommen werden, psychische Beschwerden zu objektivieren.


Wurden die Beschwerden dann geprüft und validiert, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, wie sich die Beschwerden dann konkret auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. Die Diagnose alleine oder die Validierung der Symptomatik alleine besitzt für die Einschätzung der Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsminderung noch keine hinreichende Aussagekraft. Auch dies verkennen Sachverständige leider immer wieder. So kann einerseits selbst eine leichte Depression zu einer Erwerbsminderung führen, wenn die Symptome besonders viele Fähigkeiten betreffen, die im Erwerbsleben relevant sind, andererseits aber im Einzelfall auch eine schwere Depression ohne entscheidenden Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit sein, wenn sie symptomatisch nur oder überwiegend Bereiche und Fähigkeiten betrifft, die die Erwerbsfähigkeit nicht entscheidend beeinflussen.
Um den Einfluss von psychischen Erkrankungen auf die Erwerbsfähigkeit zu prüfen, sollten spezielle, standardisierte Begutachtungsinstrumente verwendet werden. Auch dies wiederum, um die Beurteilung möglichst objektivierbar und transparent zu gestalten und von subjektiven oder gar willkürlichen gutachterlichen Einschätzungen zu schützen.


Häufig wird das Mini-ICF-APP verwendet. Anhand des Mini-ICF-APP wird geprüft, welchen Einfluss die Symptome der Krankheit auf die einzelnen, für die Erwerbsfähigkeit relevanten Fähigkeiten des Betroffenen haben, insbesondere auf:

  • Fähigkeiten zur Anpassung an Regeln und Routinen
  • Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben
  • Umstellung und Flexibilität
  • Widerstandsfähigkeit
  • Urteilsfähigkeit
  • Durchhaltefähigkeit
  • Konversationsfähigkeit
  • Kontaktfähigkeit
  • Entscheidungsfähigkeit
  • Teamfähigkeit

Entspricht ein psychiatrischen Sachverständigen Gutachten zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung diesen strengen Vorgaben, lässt sich häufig die Erwerbsminderung gut darstellen. Entspricht das Gutachten nicht diesen Anforderungen und verneint es eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, ist auf eine erneute psychiatrische Begutachtung hinzuwirken und zu drängen, egal ob im Widerspruchsverfahren oder im Klageverfahren vor dem Sozialgericht, um doch noch ein zustandsgerechtes Leistungsbild – und damit die Rente wegen Erwerbsminderung zu erhalten.

Nicht jede Erwerbsminderungsrente scheitert an einem schlechten Gutachten, manchmal kann bedauerlicherweise selbst der beste Gutachter oder das beste Gutachten nicht die Erwerbsminderung nachweisen. Aber es muss versucht werden. Denn klar ist auch, dass ein schlechter Gutachter oder ein schlechtes Gutachten die Wahrscheinlichkeit einer Rentenablehnung drastisch erhöht. Daher gilt es, schlechte Gutachten zu vermeiden oder zu korrigieren – damit Sie Ihre Erwerbsminderungsrente erhalten.

 

 

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