Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung
Eine der wichtigsten Leistungen, die die gesetzliche Rentenversicherung (DRV) ihren Versicherten gewährt, ist die in § 43 SGB VI geregelte Rente wegen Erwerbsminderung. Im Jahr 2017 zahlte die DRV 1.824.913 Renten wegen Erwerbsminderung aus. Die häufigste medizinische Ursache für Erwerbsminderungsrenten sind psychische Krankheiten, etwa Depressionen, Angsterkrankungen, Burn-Out-Syndrome oder CFS.
Medizinische Rentenvoraussetzungen
Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI setzt voraus, dass beim Versicherten der Versicherungsfall der Erwerbsminderung eingetreten ist und dass in diesem Zeitpunkt auch die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und ein Rentenantrag gestellt wird.
Teilweise erwerbsgemindert ist derjenige, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit ausserstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 I 2 SGB VI).
Voll erwerbsgemindert (erwerbsunfähig) ist besonders derjenige, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit ausserstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich bei einer 5-Tage-Woche erwerbstätig zu sein (§ 43 II 2 SGB VI).
Voll erwerbsgemindert ist ausserdem, wer nur teilweise erwerbsgemindert ist, wenn ihm ein Teilzeitarbeitsplatz nicht zur Verfügung steht und vom Rentenversicherungsträger auch binnen eines Jahres kein geeigneter und freier (Teilzeit-) Arbeitsplatz in einem zumutbaren Beruf angeboten werden kann (sog. Arbeitsmarktrente).
Eine Krankheit ist ein regelwidriger körperlicher oder seelischer Zustand, der eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit mit sich bringt. Eine Behinderung ist die Abweichung der körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seelischen Gesundheit vom typischen Normalzustand. Besonders häufig führen Krankheiten auf orthopädischem/chirurgischem, internistischem oder neurologischem/psychiatrischem Fachgebiet zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Ein Rentenanspruch kann sich ausnahmsweise aber auch ergeben, wenn jemand zwar keinen quantitativen Leistungseinschränkungen unterliegt, also eigentlich noch in der Lage ist, sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, aber eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung dies nicht zulässt, also qualitativen Leistungseinschränkungen unterliegt. Beispielsweise wenn der Betroffene einen Arbeitsplatz infolge eingeschränkter Gehfähigkeit bzw. fehlender Mobilität nicht erreichen kann, wenn die Erwerbstätigkeit unter den in Betrieben üblichen Bedingungen nicht ausgeübt werden kann, wenn in Betracht kommende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Anzahl existieren oder in Betracht kommende Arbeitsplätze an betriebsfremde Personen nicht vergeben werden.
Bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit kommt es, abgesehen von der Arbeitsmarktrente und abgesehen von dem Fall der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. spezifischer Behinderung, nur auf die theoretische Möglichkeit an, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein; die konkrete Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen. Es ist also unerheblich, wenn der Betroffene keine Arbeitsstelle findet. Das Vorliegen von Erwerbsminderung bezeichnet man - als Abgrenzung zu den rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen - auch als medizinische Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. Die Frage, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt sind, wird - abgesehen von offensichtlichen Fällen - nur durch ärztliche Bescheinigungen, Stellungnahme oder Atteste und insbesondere durch medizinische Sachverständigengutachten beantwortet werden können.
Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI (behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 143 SGB IX oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind, oder in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung), die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, sowie Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 II 3 SGB VI).
Versicherungsrechtliche Rentenvoraussetzungen
Die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderungsrente sind, dass der Versicherte die maßgebliche Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hat, der Versicherte in den fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit geleistet hat (sog. 3/5-Regelung) und die allgemeine Wartezeit (in der Regel fünf Jahre) erfüllt hat.
Sonderfall Berufsunfähigkeit
Von der “eigentlichen” Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ist die “uneigentliche” Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu unterscheiden. Die Berufsunfähigkeit knüpft - enger als die Erwerbsunfähigkeit - nicht an die Fähigkeit an, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen tätig zu sein, sondern an die Fähigkeit im ausgeübten Beruf weiterhin tätig zu sein. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Häufige Fragen zur Erwerbsminderungsrente
Viele Antworten auf besonders häufige Fragen rund um die Erwerbsminderungsrente finden Sie auch in meinem Erwerbsminderungsrenten-FAQ.
Rechtsschutz: Widerspruch und Klage
Gegen negative Bescheide der Rentenversicherungsträger, wenn beispielsweise die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung verneint werden, kann stets Widerspruch und gegebenenfalls Klage zum Sozialgericht erhoben werden. Achten Sie hierbei auf die Widerspruchsfrist und die Klagefrist, die jeweils einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheids beträgt.
Für Ihre Fragen stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht gerne zur Verfügung.